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Eine Stammesgefährtin.
Madre de Dios, das hatte er nun gar nicht erwartet. Das kleine purpurfarbene Muttermal auf Dylan Alexanders schlankem Nacken änderte alles. Die Träne, die in die Wiege einer zunehmenden Mondsichel fiel, war etwas, das in der Natur nicht allzu oft vorkam. Und sie bedeutete nur eines.
Dylan Alexander war eine Stammesgefährtin.
Sie war eine Menschenfrau, aber mit den spezifischen, extrem ungewöhnlichen Bluteigenschaften und der DNA, die ihre Zellsubstanz mit der des Stammes kompatibel machte. Frauen wie sie waren selten, und wenn Rios Spezies von ihrer Existenz erfuhr, ehrte und beschützte sie sie wie Blutsverwandte.
Das mussten sie auch. Ohne Stammesgefährtinnen, um den Samen zukünftiger Vampirgenerationen auszutragen, würde Rios Spezies aufhören zu existieren. Es war der Fluch des Stammes, dass alle Abkömmlinge seiner hybriden Rasse männlich waren - eine genetische Anomalie, die entstand, wenn sich die außerirdischen Zellanteile der Vampire mit denen der seltenen Menschenfrauen mischten, die ihre Kinder austragen konnten.
Frauen wie Dylan verdienten Ehrerbietung, statt wie Beute verfolgt und gehetzt und unter Todesangst entführt zu werden. Man behandelte sie mit großem Respekt, statt sie gegen ihren Willen wie Gefangene einzusperren, wie luxuriös auch immer der Käfig sein mochte.
„Criso en cielo“, murmelte Rio laut, als er die glänzende Mahagonitreppe des Dunklen Hafens hinunterstürmte, hinab ins Foyer. „Un qué desastre.“
Ja, das war allerdings ein Desaster. Er allein schon war ein Desaster - und zwar eines, das sich mit jeder Minute verschlimmerte. Seine Haut fühlte sich vor Hunger überall zu eng an, und er brauchte erst gar keinen Blick auf die Dermaglyphen auf seinem Unterarm zu werfen, um zu wissen, dass sie inzwischen nicht mehr ihre übliche Hennaschattierung hatten, sondern rötlich golden waren, die Farbe seines immer stärker werdenden Bedürfnisses, Nahrung zu sich zu nehmen. In seinen Schläfen setzte ein nervtötendes Pulsieren ein, Vorbote einer nahenden Ohnmacht, wenn er sich nicht bald hinlegte oder Nahrung zu sich nahm, um die Ohnmacht abzuwenden.
Aber Schlafen kam jetzt nicht in Frage und genauso wenig die Jagd nach einem menschlichen Blutwirt. Er musste seine Meldung beim Orden machen und die anderen von dieser neuesten Verkomplizierung einer Situation unterrichten, die schon von Anfang an völlig aus dem Ruder gelaufen war. Und das war ganz allein sein Werk.
Er nahm mehrere Treppenstufen gleichzeitig und wünschte sich, jetzt einfach weitergehen zu können, durch den Haupteingang des Dunklen Hafens ins helle, tödliche Tageslicht hinaus. Aber er hatte dieses Durcheinander angerichtet, und, verdammt noch mal, er würde das auch wieder in Ordnung bringen. Er war keiner, der Mist baute und ihn dann von anderen wegräumen ließ.
Als er auf den Marmorboden der Eingangshalle trat, öffnete Andreas Reichen gerade von innen die Flügeltüren einer der vielen Räume im Erdgeschoss. Er war nicht allein. Ein nervös wirkender Bewohner des Dunklen Hafens mit einem wuscheligen rotblonden Haarschopf war bei ihm. Die beiden kamen aus dem dunkel getäfelten Arbeitszimmer und unterhielten sich flüsternd miteinander. Reichen sah sofort auf und blickte Rio in die Augen. Er murmelte seinem zivilen Begleiter etwas Beruhigendes zu und gab ihm einen sanften Klaps auf die Schulter. Der jüngere Mann nickte und machte dann, dass er fortkam. Dabei warf er nur einen verstohlenen Blick auf den Krieger mit dem vernarbten Gesicht, der in der Nähe stand.
„Das war mein Neffe, er brachte mir unangenehme Neuigkeiten aus einem der anderen Dunklen Häfen der Region“, erklärte Reichen, sobald sie allein in der Eingangshalle standen. „Offenbar hat es dort vor einigen Nächten einen Vorfall gegeben. Ein hochrangiges Stammesmitglied wurde ohne Kopf aufgefunden. Zum Unglück für ihn und seine Familie geschah dieser Mord in einem Blutclub.“
Rio grunzte mitleidlos. Blutclubs waren als barbarischer Untergrundsport schon seit Jahrzehnten verboten, und der Großteil der Vampirbevölkerung war mit dem Verbot einverstanden. Aber es gab doch immer noch einige ihrer Spezies, die sich an den geheimen Treffen aufgeilten, an denen man nur auf Einladung teilnehmen konnte und wo menschliche Opfer in einer abgeschiedenen, eingezäunten Gegend wie Wild gejagt, vergewaltigt, ausgesaugt und ermordet wurden. Wie hilfloses Wild, denn selbst die stärksten Exemplare der Gattung Homo sapiens, ob Mann oder Frau, hatten gegen ein Rudel blutdurstiger Vampire nicht die geringste Chance.
Bei diesem Mord in einem Blutclub handelte es sich offenbar um eine Auseinandersetzung unter Vampiren.
„Haben sie den Vampir erwischt, der das getan hat?“
„Nein. Der Fall wird immer noch untersucht.“ Reichen räusperte sich und sprach weiter. „Da es sich bei dem Toten um einen Ältesten handelte - einen Gen Eins, um genau zu sein - und ein Mitglied der Agentur, besteht natürlich eine verständliche Besorgnis, dass sich diese Angelegenheit zu einem Skandal auswachsen könnte. Es ist eine sehr heikle Situation.“
Rio stieß ein trockenes Schnauben aus. „Zweifellos.“
Nun, immerhin war er nicht der einzige Stammesvampir, dem in der letzten Zeit das Urteilsvermögen abhanden gekommen war. Selbst die geistig gesunden, kultivierten Mitglieder des Vampirvolkes hatten ihre schlechten Tage. Nicht dass Rio seine vielen eigenen Fehler deshalb weniger bereut hätte.
„Ich muss mich mit Boston kurzschließen“, sagte er zu Reichen und fuhr sich mit der Hand über die Stirn, um den kalten Schweißfilm abzuwischen, der sich dort gebildet hatte. Eine Schwindelwelle wollte ihn erfassen, aber er drängte sie mit reiner Willenskraft zurück.
Verdammt. Er konnte hier nicht einfach zusammenklappen, zumindest bis Sonnenuntergang musste er sich noch am Riemen reißen, dann konnte er eine Weile hinaus und Nahrung zu sich nehmen.
Wenn die Ohnmacht, die in ihm aufzog, ihn nicht schon vorher zusammenklappen ließ.
„Alles in Ordnung?“, fragte ihn Reichen mit besorgt gerunzelter Stirn.
„Alles bestens“, murmelte Rio.
Der andere Vampir wirkte nicht im Mindesten überzeugt, doch seine guten Umgangsformen hielten ihn davon ab, etwas zu sagen. Sein dunkler Blick fiel auf Rios Arme. Die Glyphen unter seinen aufgerollten Hemdsärmeln füllten sich mit einem dunkleren, intensiveren Farbton.
Auch wenn er noch so hoch und heilig beteuerte, wie putzmunter er sich gerade fühlte, seine Dermaglyphen würden ihn immer verraten. Die verdammten Dinger waren Gefühlsbarometer, die die Befindlichkeit eines Vampirs visuell übertrugen - Hunger, Sättigung, Wut, Freude, Lust, Zufriedenheit und alle Stimmungen dazwischen.
Rios Dermaglyphen nahmen gerade Schattierungen von tiefem Rot, Lila und Schwarz an - ein klares Anzeichen dafür, dass er hungrig war und Schmerzen hatte.
„Ich brauche eine gesicherte Telefonleitung“, sagte er zu Reichen.
„Sofort, wenn Sie es einrichten können. Bitte.“
„Selbstverständlich. Kommen Sie, benutzen Sie meinen Büroanschluss.“
Reichen bedeutete Rio, ihm in den Raum zu folgen, wo er sich eben mit seinem Neffen getroffen hatte. Das Arbeitszimmer war geräumig und reich ausgestattet, wie der Rest des Anwesens atmete es die ganze Eleganz der alten Welt. Reichen ging um einen monströsen Schreibtisch mit Klauenfüßen herum und öffnete eine verborgene kleine Schiebeklappe, die in die Tischplatte aus poliertem Mahagoni eingelassen war.
Er drückte einen Knopf auf der darunter gelegenen elektronischen Schaltfläche, und sofort begannen sich zwei der hohen Bücherregale auf der anderen Raumseite zu teilen und enthüllten einen riesigen Flachbildschirm, der hinter ihnen an die Wand montiert war.
„Videokonferenz, wenn Sie möchten“, sagte er, als Rio in den Raum trat. „Drücken Sie die Acht, dann schaltet unsere Telefonzentrale Ihnen eine gesicherte internationale Leitung frei. Und lassen Sie sich alle Zeit, die Sie brauchen. Sie werden ungestört sein.“
Rio nickte zum Dank.
„Brauchen Sie sonst noch etwas?“, fragte sein großzügiger Gastgeber. „Oder etwas für unseren, äh, Gast da oben?“
„Ach ja“, sagte Rio. „Ich hatte ihr noch gesagt, ich würde ihr etwas zu essen bringen.“
Reichen lächelte. „Dann werde ich ihr etwas Besonderes zubereiten lassen.“
„Danke“, sagte Rio. Und dann: „Hey, Reichen. Da gibt es etwas, das Sie wissen sollten. Die Frau da oben ... sie ist eine Stammesgefährtin.
Bis vor ein paar Minuten war mir das selber nicht klar, aber sie trägt das Mal. Im Nacken.“
„Ach.“ Der deutsche Vampir dachte einen Augenblick darüber nach.
„Und weiß sie, was das für sie bedeutet? Was das für uns bedeutet?“
„Nein. Noch nicht.“ Rio nahm das schnurlose Telefon auf Reichens Schreibtisch und drückte die Acht. Dann begann er, die Geheimnummer des Hauptquartiers zu wählen. „Sie weiß überhaupt nichts. Aber ich habe das Gefühl, dass ich es ihr bald erklären werde.“
„Dann lasse ich der Dame wohl am besten auch einen Cocktail bringen. Einen starken.“ Reichen ging auf die offen stehenden Flügeltüren des Arbeitszimmers zu. „Ich werde Sie wissen lassen, wenn ihr Essen fertig ist. Wenn Sie sonst noch etwas brauchen, fragen Sie nur, und Sie bekommen es.“
„Danke.“
Während die schweren hölzernen Türflügel mit einem leisen Klicken ins Schloss fielen, wandte Rio seine ganze Aufmerksamkeit dem Klingeln des Telefons am anderen Ende der Leitung zu. Dann setzte der elektronische Anrufbeantworter des Hauptquartiers ein, und er wählte die Durchwahl zum Techniklabor.
Gideon nahm sofort ab. „Schieß los, Kumpel.“
„Ich bin bei Reichen“, sagte Rio. Die Information war eigentlich überflüssig, denn das System des Hauptquartiers musste seine Telefonnummer inzwischen schon identifiziert haben. Aber Rios Kopf dröhnte schon zu sehr, um Nebensächlichkeiten verarbeiten zu können.
Er musste die nötige Informationen loswerden, solange er noch zusammenhängend reden konnte. „Die Fahrt war ereignislos, und ich bin mit der Frau in Reichens Dunklem Hafen.“
„Hast du sie irgendwo gesichert?“
„Klar“, erwiderte Rio. „Sie dreht Däumchen in einem Gästezimmer im Obergeschoss.“
„Gut. Gute Arbeit, Mann.“
Angesichts dieses unverdienten Lobes biss er die Zähne zusammen. Die Kombination seines wütenden Hungers mit dem Schwindelgefühl in seinem Kopf bewirkte nun, dass er keuchend Luft holen musste. Mit einem leisen Fluch stieß er den Atem wieder aus.
„Alles in Ordnung, Rio?“
„Sicher.“
„Von wegen“, sagte Gideon. Der Vampir war nicht nur ein Genie, wenn es um Technologie ging. Er hatte auch die unheimliche Fähigkeit, eine Fuhre Mist zu riechen, wenn sie vor ihm abgeladen wurde. Selbst dann noch, wenn sich der Haufen Mist auf einem anderen Kontinent befand. „Was ist los mit dir? Du klingst überhaupt nicht gut, Amigo.“
Rio rieb sich die dröhnenden Schläfen. „Mach dir um mich keine Sorgen. Wir haben hier drüben ein größeres Problem. Die Reporterin ist eine Stammesgefährtin, Gideon.“
„Ach verflixt. Ist das dein Ernst?“
„Ich hab ihr Mal mit eigenen Augen gesehen“, erwiderte Rio.
Gideon murmelte etwas Unverständliches, das sich aber dringlich anhörte, offenbar war er nicht allein im Labor. Das tiefe Knurren einer kühlen Gen-Eins-Stimme, das darauf antwortet, konnte nur zu Lucan gehören, dem Gründer und Anführer des Ordens.
Na toll, dachte Rio. Aber da er sowieso nicht vorhatte, diese Neuigkeiten dem höchstrangigen Ordenskrieger vorzuenthalten, konnte er ihm nun genauso gut auch gleich alle Fakten liefern.
„Lucan ist hier“, informierte ihn Gideon, für den Fall, dass es Rio entgangen war. „Bist du allein da drüben, Rio?“
„Mutterseelenallein in Reichens Arbeitszimmer.“
„In Ordnung. Warte mal eben. Ich hol dich auf den Videoschirm.“
Rios Mund verzog sich grimmig. „Dacht' ich mir schon, dass du das machst.“
Er sah auf, als der riesige Flachbildschirm gegenüber sich mit einem Blinken einschaltete. Als wäre er ein Fenster in einen Nebenraum, füllte er sich mit einem Echtzeitbild von Gideon und Lucan, die im Techniklabor des Bostoner Hauptquartiers des Ordens saßen. Gideons Augen blickten eindringlich, als er über den Rand seiner hellblau getönten Brille sah, sein kurzer blonder Schopf stand wie üblich in alle Richtungen.
Auch Lucan blickte ernst drein. Die schwarzen Augenbrauen gerunzelt, die hellgrauen Augen schmal, lehnte er in einem der großen Ledersessel, die um den Konferenztisch des Ordens standen.
„Die Frau ist hier im Dunklen Hafen sicher, und ihr wurde kein Haar gekrümmt“, begann Rio ohne Vorrede. „Ihr Name ist Dylan Alexander, und soweit ich das ihrem Laptop entnehmen konnte, lebt und arbeitet sie in New York City. Ich schätze sie auf Ende zwanzig, aber sie könnte auch schon dreißig sein ...“
„Rio.“ Lucan beugte sich vor und sah eindringlich auf den Videoschirm, der Rios Bild nach Hause projizierte. „Zu ihr kommen wir gleich. Was ist los mit dir, Mann? Du hast seit Februar den Kontakt abgebrochen, und sei mir nicht böse, aber du siehst schlimm aus.“
Rio schüttelte den Kopf, fuhr sich mit der Hand durch sein schweißnasses Haar. „Mir geht's gut. Ich will nur so schnell wie möglich dieses Problem wieder in Ordnung bringen, okay?“
Rio wusste nicht genau, ob er von Dylan Alexander und ihren Fotos redete, oder den anderen, grundlegenderen Problemen, mit denen er sich seit der Explosion herumgeschlagen hatte, die ihn fast getötet hatte. Die ihn hätte töten sollen, verdammt noch mal.
„Auf meiner Seite ist alles bestens, Lucan.“
Der Gesichtsausdruck des Vampirs am anderen Ende der Videoleitung blieb ruhig, musternd. „Ich mag es nicht, wenn man mich anlügt, mein Freund. Ich muss wissen, ob sich der Orden immer noch auf dich verlassen kann. Bist du immer noch einer von uns?“
„Der Orden ist alles, was ich habe, Lucan. Das weißt du.“
Es war die Wahrheit, und sie schien den scharfsinnigen Gen Eins zufriedenzustellen. Zumindest für den Augenblick.
„Die Reporterin, die du da drüben gefangen hältst, ist also eine Stammesgefährtin.“ Lucan seufzte und rieb sich über sein starkes eckiges Kinn. „Du musst sie herbringen, Rio. Nach Boston. Zuerst musst du ihr einige Dinge erklären, über den Stamm und ihre Verbindung mit uns, und dann musst du sie herbringen. Gideon wird sich um den Transport kümmern.“
Der andere Krieger tippte bereits wild auf seine Tastatur ein, er war schon dabei, alles in die Wege zu leiten. „Ich kann dir unseren Privatjet morgen Abend auf dem Flughafen Tegel bereitstellen lassen.“
Rio bestätigte die Pläne mit einem entschlossenen Nicken, aber es gab immer noch einige offene Fragen zu klären. „Sie hatte sich heute einen Flug von Prag nach New York gebucht. Sie hat Familie und Freunde, die auf sie warten.“
„Du hast doch Zugang zu ihrer E-Mail“, bemerkte Gideon. „Schick eine Sammelmail von ihrer Adresse, in der du erklärst, dass sie sich einige Tage verspätet und sich so bald wie möglich wieder meldet.“
„Was ist mit den Fotos, die sie in der Höhle gemacht hat?“, fragte Rio.
Lucan war es, der antwortete. „Gideon sagte mir, dass du die Kamera und ihren Computer hast. Sie muss verstehen, dass jeder, dem sie diese Fotos gemailt hat, für uns ein Risiko darstellt - eines, das wir uns nicht leisten können. Sie wird uns also behilflich sein müssen, indem sie ihre Story zurückzieht und dafür sorgt, dass jede einzelne der Bilddateien, die sie abgeschickt hat, gelöscht wird.“
„Und wenn sie nicht kooperiert?“ Rio konnte sich schon ganz genau vorstellen, wie dieses Gespräch mit ihr verlaufen würde. „Was machen wir dann?“
„Die Personen aufspüren, mit denen sie in Kontakt war, und uns die Bilder wiederholen, und zwar mit allen nötigen Mitteln.“
„Allen das Kurzzeitgedächtnis löschen?“, fragte Rio.
Lucans Gesicht war ernst und entschlossen. „Was immer nötig ist.“
„Und die Frau?“ Rio wollte sichergehen, dass sie einander richtig verstanden. „Sie ist eine Stammesgefährtin. Wir können ihr nicht einfach willkürlich die Erinnerung löschen. Sie muss doch eine Wahl haben, oder?“
„Ja“, sagte Lucan. „Sie hat eine Wahl. Wenn sie über die Existenz des Stammes und ihr Mal, das sie mit uns verbindet, Bescheid weiß, kann sie sich entscheiden, ob sie ein Teil unserer Welt sein oder in ihre eigene Welt zurückkehren will, ohne jede Erinnerung an unsere Spezies. So wurde es schon immer gemacht. Es geht nicht anders.“
Rio nickte. „Ich werde mich drum kümmern, Lucan.“
„Das weiß ich“, sagte der. In seiner Stimme lag keine Spur von Herausforderung oder Zweifel, nur reines Vertrauen. „Und, Rio?“
„Was?“
„Glaub bloß nicht, dass mir deine grellen Glyphen entgangen sind, Mann.“ Schmale silberne Augen fixierten ihn aus der Entfernung. „Sieh zu, dass du Nahrung bekommst. Und zwar noch heute Abend.“